Wenn es um das Training für zuhause geht, dann bietet uns das Wing Chun unzählige Möglichkeiten. Die Formen sind wirklich nur eine Möglichkeit unter vielen.
Und zudem kann man ja auch die Formen auf unterschiedlichste Art trainieren – Langeweile muss selbst nach Wochen und Monaten des Solotrainings nicht aufkommen!
Heute möchte ich dir mehr als 100 solche Ideen liefern, was du im Wing Chun alles zuhause trainieren kannst …
1. Formentraining:
Natürlich kannst du regelmäßig die Formen zuhause trainieren. Im Wing Chun haben wir ja schon mal vier waffenlose Formen, wobei drei davon gänzlich ohne Hilfsgeräte auskommen. Die Rede ist von der Siu Nim Tao (1), der Cham Kiu (2) und der Biu Tze (3).
Und falls du zuhause eine Holzpuppe stehen hast, dann kannst du auch die Holzpuppenform (4) trainieren, auf chinesisch Muk Yan Chong genannt. (Genaue Anleitungen zum Formentraining erhältst du bei Bedarf in unserem Mitgliederbereich für Wing Chun.)
Neben dem Training der kompletten Form kann es auch hin und wieder ratsam sein, wenn du dir nur einen bestimmten Abschnitt – oder gar nur eine einzelne Bewegung – herauspickst und diese ganz genau analysierst und einige Mal hintereinander trainierst (5). Macht man das nämlich so, dann achtet man auf viel mehr Details, als wenn man immer die komplette Form auf einmal trainiert.
Doch selbst wenn du die Form als Ganzes trainierst, kannst du so einiges variieren: Wie wär’s denn mal zum Beispiel die Siu Nim Tao auf einem Bein zu trainieren? (6) Das könnte wunderbar dein Gleichgewicht trainieren. Oder versuch doch auch mal die Siu Nim Tao mit geschlossenen Augen zu trainieren. (7) Wenn du immer in den Spiegel schaust, dann korrigieren die Augen deine Bewegungen ständig mit. Wenn du die Augen schließt, dann ist das dann mit einem Male nicht mehr möglich und man muss sich viel mehr auf die Bewegung an sich konzentrieren.
Auch würde ich die Siu Nim Tao hin und wieder so trainieren, dass man sich nicht auf die ausführende Hand konzentriert, sondern auf jene Hand, die scheinbar nichts zu tun hat, sondern in der Sao Chong Position verharrt. (8) Denn auf diese Hand neigt man sehr oft zu vergessen. Und daher ist die Schulter oft vorne oder der Ellbogen ist zu weit außen.
Schlussendlich kann man mit der Siu Nim Tao auch wunderbar seinen peripheren Blick schulen. Dazu brauchst du nur einen bestimmten Punkt im Raum auswählen und deinen Blick die ganze Zeit darauf richten. (9) Wichtig ist hier allerdings, dass du nicht auf diesen Punkt starrst, sondern dass du bewusst darauf achtest, dass du alles um dich herum wahrnimmst. Der periphere Blick ist eine wunderbare Fähigkeit in einer Selbstverteidigungssituation – es lohnt sich also, ihn zu trainieren.
Was die Cham Kiu betrifft, so könntest du sie doch mal zur Abwechslung mit nur einem Arm ausführen. (10) Und das ist wirklich schwieriger als es klingt! Mit einem Mal wird dir bewusst, dass du die Cham Kiu nur dann ausführen kannst, wenn du beide Arme zur Verfügung hast. Trainierst du sie nur mit einer, wirst du enorme Schwierigkeiten damit haben. Garantiert!
Gerade die Cham Kiu sollte man regelmäßig auch sehr flüssig trainieren – das heißt ohne einen einzigen Stopp dazwischen. (11) Das bedeutet, dass man die Cham Kiu auch oft anders trainieren sollte als die Siu Nim Tao, wo man die Bewegung ruhig auch einrasten lassen kann.
Weiters eignet sich die Cham Kiu wunderbar dazu, sie hie und da richtig dynamisch und schnell zu trainieren. (12) Doch Achtung: Man sollte dies nicht ständig machen, genauso wichtig ist es, die Cham Kiu hin und wieder auch betont langsam zu trainieren und jede Bewegung genau zu spüren. (13)
Und wie wäre es mal damit, auch die Cham Kiu mit geschlossenen Augen zu trainieren? (14) Das ist noch um einiges schwieriger als die Siu Nim Tao mit geschlossenen Augen zu üben, da jetzt auch Schritte mit dabei sind. Wahrscheinlich wirst du am Ende ganz woanders stehen als zu Beginn.
Was die Biu Tze betrifft, so konzentriere dich zuhause doch hin und wieder darauf, dass jede Bewegung die nächste einläutet. (15) Wenn du die Biu Tze auf diese Art und Weise trainierst, dann übst du wirklich sehr dynamisch und baust dadurch enorme Power auf.
Doch genauso finde ich es wichtig, dass man von Zeit zu Zeit auch wieder ganz genau auf jede Bewegung achtet und selbst die Biu Tze betont langsam trainiert. (16) Denn nur bei langsamem Training fallen Fehler überhaupt erst auf.
Doch auch die Ausführung der Bewegungen selbst kannst du zu einem gewissen Grad variieren. Zum Beispiel könntest du den dreifachen Huen Got Sao mal aufsteigend und dann wieder abziehend trainieren. (17) Dadurch kannst du nämlich den unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten des Huen Got Sao Rechnung tragen.
Oder du versuchst mal bestimmte Bewegungen ohne Wendung zu üben und dadurch deine Hüfte zu flexibilisieren. (18) Beispiele hierzu wären der dreifache Scheren-Gan-Sao oder ebenfalls wieder drei dreifache Huen Got Sao.
Was die Holzpuppenform betrifft, so könntest du diese auch mal ohne Holzpuppe trainieren (19) – einfach frei in die Luft wie du es ja auch bei den anderen Formen schon machst. Und außerdem ist das eine Möglichkeit die Form selbst dann zu üben, wenn du keine Holzpuppe zu Hause stehen hast.
Und falls du doch eine Holzpuppe besitzt, dann kannst du die Form auf zwei unterschiedliche Arten trainieren – einerseits auf die übliche Art mit konstantem Druck auf den Stamm – aber genauso auch mal mit Lösen (speziell im ersten und zweiten Satz) und werfendem Tan Sao. (20)
Wie bei der Siu Nim Tao kannst du übrigens auch an der Holzpuppe deinen peripheren Blick trainieren. (21) Blicke dazu die ganze Zeit auf den Holzpuppenstamm und versuche dabei die Holzpuppenarme und vor allen Dingen das Holzpuppenbein immer im Blick zu haben.
Zudem kannst du das Training der ersten drei waffenlosen Formen im Wing Chun auch dahingehend variieren, dass du mal vor dem Spiegel trainierst und ein anderes Mal nicht. (22)
Zusätzlich ist es von Vorteil, sich dann und wann auf Video aufzunehmen, wenn man die Formen trainiert und das dann ganz genau zu analysieren. (23) Viele Fehler werden einem erst dann bewusst, wenn man sich selbst von außen beobachten kann.
2. Schritte und Tritte:
Neben den Formen kann man zuhause auch Schritte und Tritte trainieren.
Etwas ganz Grundlegendes ist hierbei der IRAS im Wing Chun. Warum nicht mal in einem Training den Fokus speziell auf den IRAS legen? Zum Beispiel so: Nimm den IRAS korrekt ein und bleib für mindestens fünf Minuten so stehen. (24) Wenn das zu sehr in den Adduktoren schmerzt, dann machst du wahrscheinlich etwas falsch und solltest das öfters trainieren – solange, bis fünf Minuten überhaupt kein Problem mehr darstellen.
Was im Wing Chun ebenfalls separat trainiert werden sollte, sind die Wendung (25) und die Drehung (26). Beides ist zwar in der Cham Kiu enthalten, jedoch sollte man sich speziell als Anfänger öfters auf einzelne Aspekte ganz genau konzentrieren. Die Wahrscheinlichkeit ist sonst groß, dass man es schlampig ausführt.
Was die Schritte an sich betrifft, sind der klassische Kampfstand mit Gewicht auf dem hinteren Fuß (27) und der Vorwärtsschritt (28) sehr wichtig. Auch sie sollten trainiert werden. Achte dabei ganz genau darauf, ob dein Körpergewicht wirklich auf dem hinteren Bein ist und ob du den Oberkörper auch wirklich gerade hältst. Details dazu findest du hier, hier und hier.
Und natürlich kannst du den Basisschritt nicht nur nach vor sondern auch nach hinten ausführen (29) – also einen Rückwärtsschritt mit Nachziehen daraus machen. (Am besten kombiniert man das in weiterer Folge noch mit Kettenfauststößen.)
Ein spezieller Schritt, den man noch üben könnte, ist der T-Schritt. (30) Dazu habe ich vor einiger Zeit mal ein Youtubevideo veröffentlicht.
Ein wichtiger Schritt um in die Flanke des Gegners zu gelangen ist der Z-Schritt. (31) Das kann man einerseits alleine trainieren aber auch mit Trainingspartner.
Was Schritte im Wing Chun generell betrifft, habe ich noch einen Tipp für dich: Wie wäre es mit einer Schrittform, die alle wichtigen Schritte enthält? Auf diese Weise stellst du sicher, dass du alle Schritte gleichberechtigt trainierst und nichts vergisst. (32) Du kannst dir eine solche Abfolge selbst ausdenken oder du greifst auf jene zurück, die ich in unserem Mitgliederbereich vorstelle. Den Beginn der Form kannst du hier nachvollziehen.
Man muss Tritte nicht unbedingt immer mit Trainingspartner und gegen Schlagpolster trainieren. Man kann sie genauso auch frei in die Luft machen. (33) In der Cham Kiu hast du ja bereits drei solche Tritte gelernt, den Vorwärtstritt, den Seitwärtstritt und den gedrehten Tritt nach hinten.
Aber natürlich kannst du den Tritt genauso auch gegen die Holzpuppe bzw. gegen einen Boxsack oder Baum trainieren. (34) Der Vorteil hier ist, dass du dadurch auch ein gewisses Distanzgefühl bekommst.
Und wie wäre es, die Tritte aus der Holzpuppenform mal isoliert zu trainieren? (35) In der Holzpuppenform gibt es ja 8 solcher Tritte. Füge sie in einer kleinen Form zusammen und trainiere sie als Gleichgewichtsübung frei in die Luft. Damit bereitest du dich auch wunderbar auf das Chi Gerk vor.
3. Fauststöße und sonstige Angriffe:
Wing Chun ist eine sehr fauststoßbasierte Kampfkunst. Und die Kettenfauststöße sind wahrscheinlich die bekanntesten Fauststöße überhaupt, die man gedanklich mit der Kampfkunst Wing Chun verbindet. Und das zu Recht, denn dem Anfänger bieten Kettenfauststöße eine wunderbare Notfalltechnik. Wenn der Anfänger nicht mehr weiterweiß, dann kann er immer noch Kettenfauststöße machen. Doch um sie spontan in einer ernsten Situation abrufen zu können, muss man sie erstmal fleißig trainiert haben. (36) Tipps dazu gibt es hier.
Kettenfauststöße einfach frei in die Luft zu machen ist ein guter Anfgang, doch das Training sollte hier nicht enden. Man sollte unter anderem auch lernen, sie mit Wendungen zu kombinieren. (37)
Außerdem sollte man auch unbedingt lernen, Kettenfauststöße mit Schritten kombinieren zu können. (38) Dabei ist perfekte Koordination gefragt, die erstmal aufgebaut werden muss.
Eine weitere wirkungsvolle Waffe im Wing Chun sind Ellbogenangriffe. Zu Beginn würde ich mal den Lan Sao Ellbogen aus der Cham Kiu trainieren. Zum Beispiel könnte man hier unterschiedliche Angriffe kombinieren, so zum Beispiel den Vorwärtstritt, Kettenfauststöße und dann noch mit Ellbogenangriffen abschließen. (39)
Oder man trainiert den dreifachen Lan Sao mit Drehung aus der Cham Kiu – aber mal nicht in normaler Geschwindigkeit, sondern in deutlich erhöhtem Tempo und mit ordentlich Power. (40) Dadurch trainiert man auch sein Gleichgewicht wunderbar.
Seine Fauststöße kann man zusätzlich durch die so genannte Kuen To Boxform sehr gut trainieren. Hier kombiniert man hohe und tiefe Fauststöße in unterschiedlichen Kombinationen. Erstmal kann man dies ohne Wendung trainieren. (41)
Später kann man noch Wendungen und Schritte hinzufügen. (42) Den ersten Satz inklusive Wendung kannst du hier nachvollziehen.
Natürlich muss man die Kuen To nicht immer nur frei in die Luft trainieren. Ein Wandsack* eignet sich speziell bei der Kuen To sehr gut dazu, sein Distanzgefühl und seine Schlagkraft zu trainieren. (43)
Und wenn wir schon beim Thema Trainingsequipment sind: Auch im Wing Chun kann man an einem Boxsack trainieren.* (44)
Ach ja: Der Wandsack eignet sich nicht nur für das Training der Kuen To Boxform. Man kann zum Beispiel auch einfach nur Kettenfauststöße darauf trainieren. (45)
Ein etwas teureres Trainingsequipment ist der so genannte Bob.* Der große Vorteil davon ist, dass das Training damit der Realität ein Stück weit näher kommt als beim Wandsack oder beim Boxsatz. Am Bob kann man sowohl Fauststöße als auch Tritte und Ellbogenangriffe trainieren. (46)
Und dann gibt es noch ein Trainingstool, das im Wing Chun eher unbekannt ist, und zwar der Doppelendball oder auch Punchingball* genannt. Damit kann man Fauststöße und Reaktionen gleichzeitig trainieren. (47) Das Training damit fördert sowohl dein Timing als auch deine Präzision.
Zu guter Letzt kannst du dir natürlich auch Schlagkombinationen ausdenken und diese frei in die Luft trainieren. (48) Oder du nimmst einen bestimmten Fauststoß her und übst diesen isoliert. (49) Ein Beispiel hierzu wäre der Uppercut aus der Cham Kiu oder der Haken aus der Biu Tze. Natürlich kannst du das Ganze genauso am Boxsack oder am Bob trainieren.
Wichtig dabei ist nur, dass du den ganzen Körper einsetzt und nicht nur den Arm bewegst. Denn die meiste Schlagkraft kommt eben nicht aus dem Arm, sondern aus der Hüfte bzw. der Koordination des ganzen Körpers.
4. Weitere Grundtechniken:
Speziell in den unteren Schülerprogrammen gibt es allerhand Grundtechniken, die du unbedingt beherrschen solltest. Und ja: Man kann (und sollte) Grundtechniken auch öfter mal zwischendurch als Fortgeschrittener noch trainieren.
Ein Beispiel für solche Grundtechniken im Wing Chun sind die Gleichzeitigkeiten. Als erstes trainiert man diese noch ohne Wendung und führt gleichzeitig eine Abwehrbewegung und einen (geraden) Fauststoß aus. Die wichtigsten Gleichzeitigkeiten sind:
- Tan Sao Fauststoß (50)
- Pak Sao Fauststoß (51)
- Gan Sao Fauststoß (52)
- Jam Sao Fauststoß (53)
- Lap Sao Fauststoß (54)
- und Bong Sao Fauststoß (55).
Sobald man die Gleichzeitigkeiten ohne Wendung gut beherrscht, bietet es sich an, noch eine Wendung mit einzubauen (56). Doch beachte: Auch wenn es Gleichzeitigkeiten heißt, beginnt man kurz vorher mit der abwehrenden Bewegung. Was allerdings gleichzeitig an dem Ganzen ist, dass man alle drei Bewegungen (Abwehr, Angriff und Wendung) gleichzeitig beendet. Dafür ist eine Menge Koordination und daher auch Training notwendig. (Hier ein Beispielvideo: Tan Sao Fauststoß mit Wendung)
Was ich ebenfalls zu wichtigen Grundtechniken zähle, sind Übungen in Sachen Bodenkampf. Vor allem kann man zuhause für sich das richtige Fallen (57) und schnelles wieder Aufstehen (58) üben.
Auch das richtige Bewegen am Boden sollte man auch mal alleine üben. (59) Damit meine ich zum Beispiel die richtige Drehung in der Hüfte um jemand runterzustoßen der auf einen liegt. Außerdem kann man auch Tritte sowie die richtige Grundposition und das Wechseln der Ausrichtung recht gut alleine üben. Hierfür braucht man nicht ständig einen Trainingspartner.
5. „Schattenboxen“:
Schattenboxen ist etwas, das im Wing Chun eher selten genutzt wird. Und man muss sich auch nicht unbedingt einen Gegner dabei vorstellen, der einen mit unterschiedlichen Techniken angreift. Auch wenn man das zwischendurch ruhig auch mal so handhaben kann. (60)
Vielmehr kann man auch Dinge alleine trainieren, für die man sonst eigentlich immer einen Trainingspartner hat. Beispielsweise ist es eine gute Methode sich Anwendungen zu merken, wenn man sie nach der Unterrichtsstunde oder dem Seminar allein für sich noch einmal durchgeht. (61) Außerdem hat das noch den entscheidenden Vorteil, dass man dadurch auf andere Details achtet und so vielleicht neue Fragen aufkommen, die man seinem Lehrer beim nächsten Mal stellen kann.
Das selbe kann man zum Beispiel auch mit dem Pak Sao Zyklus machen. (62) Trainier den Pak Sao Zyklus doch mal ganz alleine in die Luft (am besten vor einem Spiegel um dich selbst besser kontrollieren zu können). Konzentriere dich dabei ganz genau auf jede Bewegung. Führ den Pak Sao und den Fauststoß korrekt aus und achte auch darauf, dass du dein Gewicht korrekt auf den hinteren Fuß hast und nicht zu aufrecht stehst etc.
Das Ganze kannst du ja noch ausbauen und einen Seitenwechsel mit einbauen bzw. einen Angriff mit Pak Sao Fauststoß. (63)
Genau das Gleiche kannst du auch mit dem Blitz Defence machen. Hier kannst du beispielsweise die korrekte Positionierung üben (64) – also gegen Rechtsausleger, gegen Linksausleger, gegen jemand, der frontal vor dir steht mit den Händen eng vor dem Körper bzw. weit außen am Körper.
Und du kannst hier auch sehr gut die Einstiegstechniken in allen vier Positionen üben. (65) Oder du stellst dir vor, dass dich der Gegner angreift und du darauf reagieren musst mit all den Reaktionen, die du in den einzelnen Schülerprogrammen bereits gelernt hast. (66)
Und das war noch nicht alles: Du kannst sogar dein Chi Sao alleine zuhause noch verbessern! Natürlich spreche ich dabei nicht deine taktilen Reflexe an, denn die kannst du alleine natürlich nicht verbessern (außer in gewissem Maße mit einer Holzpuppe).
Was ich meine ist, dass du die perfekten Winkel und Positionen in deinen Körper einprogrammieren kannst. Anfangen kannst du da mit dem Dan Chi. Trainier die korrekten Positionen frei in die Luft – vorerst noch ohne Wendung. (67) Damit meine ich vor allem den Tan Sao, den Fook Sao und den Bong Sao.
Konzentrier dich vor allem darauf, dass du nur außen in den Bong Sao bzw. den Tan Sao drehst und dies nicht während der gesamten rollenden Bewegung machst. Denn dann würdest du nämlich den Gegner dazu einladen hineinzurutschen und deine Deckung somit zu übergehen. Es sind da einige Wiederholungen nötig, um sich das korrekt anzugewöhnen – es zahlt sich aber aus!
Sobald du es aus dem IRAS heraus beherrscht, kannst du noch Wendungen und auch Schritte mit einbauen. (68)
Später kannst du das selbe mit zwei Händen gleichzeitig machen. In der Standardvariante macht die linke Hand den Fook Sao und die rechte reagiert mit Bong Sao bzw. Tan Sao. (69)
Zusätzlich kannst du aber genauso die anderen drei Positionen üben, also beide Hände innen, beide Hände außen sowie links Bong Sao / Tan Sao und rechts Fook Sao. (70)
Schlussendlich kann man auch die Chi Sao Sektionen mal ohne Partner trainieren. (71) Der Vorteil ist auch hier, dass man auf ganz andere Details achtet als wenn man diese nur mit Trainingspartner übt. Zum einen trägt allein schon der Standortwechsel dazu bei, dass man auf andere Dinge achtet, wenn man mal nicht in der Schule sondern zuhause trainiert. Zum anderen muss man sich wieder genau auf die Bewegungen konzentrieren, weil der Ablauf auf einmal nicht mehr automatisch funktioniert. Dadurch ist man gezwungen, die einzelnen Bewegungen und Techniken viel genauer zu analysieren.
6. Weiteres Training an der Holzpuppe:
Die Holzpuppe ist ein echt geniales Trainingstool für zuhause. Und nein: Man muss nicht bis zu den Technikergraden warten, um endlich daran trainieren zu können!
Es gibt Übungen, die man schon als erster Schülergrad an der Holzpuppe ausführen kann. Ein Beispiel ist der Pak Sao Zyklus. (72) Pak Sao und Fauststoß kann man ganz leicht an einem Holzpuppenarm trainieren. Und man kann dabei auch den vorderen Fuß korrekt platzieren, sodass man damit das Bein der Holzpuppe kontrolliert.
Außerdem kann man das Ganze auch wieder ausbauen und Seitenwechsel sowie den Pak Faust Angriff mit Vorwärtsschritt an der Holzpuppe trainieren. (73)
Genau das gleiche kannst du auch mit dem Blitz Defence wieder machen und die korrekte Positionierung üben. (74) Und auch die grundlegenden Angriffe aus dem Blitz Defence heraus kannst du trainieren (75), die da wären: Pak Sao Handflächenstoß gegen Rechtsausleger, Lap Sao Handflächenstoß bzw. Fauststoß gegen Linksausleger, Pak-Pak und Fak Sao gegen jemand, der seine Hände eng am Körper hat, sowie schlussendlich Lap Sao und hoher Gam Sao gegen jemanden, der seine Hände weiter neben dem Körper hat.
Und sogar taktiles Reaktionstraining ist bis zu einem gewissen Grad selbst an der Holzpuppe möglich. Beispielsweise kannst du eine Lap-Sao-Reaktion in den Körper einpflanzen. (76) Das einzige was du tun musst, ist mit dem Handgelenk einen Holzpuppenarm zu berühren und blitzschnell einen Lap Sao auszuführen. Oder du machst einen Fauststoß gegen den Holzpuppenarm und reagierst mit Lap Sao auf diesen „Block“. Ein Video dazu gibt es hier.
Dasselbe kannst du auch mit Bong Sao (77), Tan Sao (78), Jut Sao (79) und Huen Got Sao machen. Wichtig ist dabei die richtige Positionierung zur Holzpuppe. In unserem Mitgliederbereich für Wing Chun habe ich das näher erklärt, das würde den Rahmen dieses Beitrags wohl schon etwas sprengen 🙂
Was du ebenfalls sehr gut zuhause mit Hilfe der Holzpuppe trainieren kannst sind Angriffskombinationen. (80) Wichtig ist dabei immer die gleichzeitige Absicherung mit der anderen Hand. Das heißt mit einer Hand machst du eine Abwehr bzw. Kontrolle, mit der anderen greifst du an (mit Fauststoß, Handflächenstoß, Fak Sao, etc.). Das erfordert viel Koordination und lohnt sich zu trainieren.
Und natürlich kannst du an der Holzpuppe nicht nur Angriffe mit deinen Armen trainieren. Ebenso kannst du jede Menge Tritte ausführen. (81) Das können die Tritte sein, die du bereits aus der Cham Kiu kennst. Es können aber auch die Tritte aus der Holzpuppenform sein.
Und natürlich kannst du auch wieder alles miteinander kombinieren (82), also Tritte, Angriffe mit den Armen und unterschiedliche Abwehr- und Kontrollbewegungen.
Was sich ebenfalls an der Holzpuppe zum Training anbietet, sind Kettenfauststöße. (83) Und damit meine ich nicht Kettenfauststöße gegen den Holzpuppenstamm, sondern seitlich an einem Holzpuppenarm (das heißt, der Unterarm streift am Holzpuppenarm, ich stoße nicht mit der Faust dagegen).
Eine andere Übung um Hand- und Beintechniken miteinander zu kombinieren, ist das Training von Seitenwechsel – also das Wechseln von der Innen- in die Außenposition und umgekehrt. (84) Bewerkstelligen kann man dies mit korrekter Schrittarbeit und unter Zuhilfenahme von Bong Sao bzw. aufkeilenden Fauststößen.
Schlussendlich kann man auch Knieangriffe an der Holzpuppe trainieren. (85) Im Normalfall macht man diese auch eher gegen einen Holzpuppenarm als gegen den Stamm. Wenn man dabei die Arme nicht zur Stabilisation benutzt, dann ist das auch eine prima Möglichkeit sein Gleichgewicht zu trainieren.
7. Waffentraining:
Im neunten Schülerprogramm beschäftigen wir uns zum ersten Mal etwas mit Stock und Messer. Dabei steht zwar die Abwehr klar im Vordergrund, doch es schadet nicht, den grundlegenden Umgang ein bisschen zu beherrschen. Was den Stock betrifft, könntest du also die Grundschläge trainieren. (86) Ein Beispiel sind 45°-Schläge zum Kopf.
Zuerst konzentrier dich mal nur auf die Schläge an sich. Mit der Zeit kannst du auch Schritte mit einbauen. (87)
Dasselbe kannst du dann auch mit dem Messer machen. Trainier zuerst mal grundlegende Schnitte wie z.B. den 45° Schnitt zum Hals. (88) Später kannst du das noch mit Schritten kombinieren. (89)
Was sich ebenfalls zum Training für zuhause sehr gut anbietet, sind so genannte Sinawali-Drills. Dabei handelt es sich um fixe Doppelstockabläufe, die vor allem deine Koordination und den gleichzeitigen Einsatz der linken und rechten Hand trainieren. (90) Ein Beispiel ist der 4-Count-Sinawalidrill, den ich hier näher erkläre.
Doch natürlich haben wir auch typische Wing-Chun-Waffen, und das sind der Langstock und die Doppelmesser. Zum Beispiel könntest du mit Langstockvorübungen beginnen. Ein Beispiel sind der typische Langstockstand (91) , der zu Beginn relativ schwierig ist einzunehmen und vor allem schwierig ist länger zu halten.
Ein weiteres Beispiel sind Übungen speziell für die Handgelenke (92). Denn für den Langstock braucht man hier ziemlich viel Kraft, damit man später mit Präzision damit umgehen kann.
Und natürlich kannst du genauso die Langstockform zuhause trainieren (93), falls du diese bereits gelernt hast.
Natürlich gibt es Vorübungen nicht nur für den Langstock, sondern auch für die Doppelmesser im Wing Chun. Unter anderem könntest du die Grundschritte zur Doppelmesserform trainieren. (94)
Und sobald du dies gemeistert hast, kommt noch die Doppelmesserform (95) – welche traditionell die letzte Form ist, die man im Wing Chun lernt.
8. Inneres Wing Chun:
Damit kommen wir zu einem interessanten Aspekt, nämlich dem so genannten Inneren Wing Chun. Was es damit auf sich hat, habe ich versucht in diesem Beitrag zu erläutern.
Da es im Inneren Wing Chun wie der Name schon sagt um das „Innere“ geht (also um Dinge wie Muskelansteuerung, Lockerheit, Gleichgewicht und dergleichen), kann man vieles davon auch sehr gut alleine für sich zu Hause trainieren. Man braucht dazu nicht ständig einen Trainingspartner.
Hier nur einige Möglichkeiten, die sich bereits für Anfänger sehr gut eignen (für nähere Erklärungen möchte ich wiederum auf unseren Mitgliederbereich verweisen, da ich all das unmöglich hier erklären könnte):
Übungen für Lockerheit und Körperschwerpunkt (96): Eine solche Übung ist, dass man sich etwa schulterbreit hinstellt und das Gewicht mal auf die Zehen verlagert und mal auf die Ferse. Dabei hört man in den Körper hinein und bemerkt, dass man dabei einige Muskelpartien anspannen muss, um dies zu bewerkstelligen. In der Mitte allerdings braucht man keine solche Muskelanspannung um das Gleichgewicht zu halten. Mit der Zeit lernt man durch diese Übung, ab wann man mit dem Körper gegensteuern muss, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Übungen für Lockerheit und Körpereinheit (97): Ein Beispiel für eine solche Übung ist es, dass man die Arme locker seitlich schwingen lässt. Man lernt dadurch Power zu generieren ohne den Körper anzuspannen.
Stehen wie ein Baum (98): Dies wiederum ist eine ganz bekannte Übung, die man in vielen inneren Kampfkünsten wie beispielsweise dem Tai Chi wiederfindet. Was die Ausführung betrifft gibt es zwar unterschiedliche Meinungen und Herangehensweisen, doch alle sind sich irgendwie einig darin, dass es sich um eine wichtige Übung handelt.
Halten eines Energieballs (99): Das ist ebenfalls eine recht bekannte Tai Chi Übung. Es kommt dort vor allem in den Formen sehr häufig vor. Die Hände werden dabei so positioniert, als würde man einen großen Ball halten.
Richtiges Ziehen lernen (100): In einer inneren Kampfkunst ist es wichtig, dass man den Gegner ziehen und damit aus dem Gleichgewicht bringen kann – gleichzeitig aber selbst nicht in Gefahr läuft, das Gleichgewicht zu verlieren. Man übt das Ganze in der Regel in drei Richtungen (horizontal, vertikal und sagittal).
Richtiges Drücken lernen (101): Genauso wichtig wie das Ziehen ist natürlich das Drücken. Auch das sollte man dergestalt handhaben, dass man dadurch nicht das Gleichgewicht verliert. Wiederum sollte man das Drücken horizontal, vertikal und sagittal üben.
Und bitte beachte: Beim Drücken beginnt man im Fuß und geht dann in einer Kette nach oben bis zur Handwurzel. Beim Ziehen ist es genau umgekehrt, man beginnt in der Handwurzel und geht in einer Kette bis zur Fußsohle. Auch benutzt man beim Drücken und Ziehen unterschiedliche Kraftzentren, nämlich das Dantien (beim Ziehen) und das Mingmen (beim Drücken).
Natürlich kann man Drücken und Ziehen nicht nur einzeln trainieren, sondern auch gleichzeitig (102). Das heißt, eine Hand (bzw. Körperhälfte) zieht, die andere drückt. Keine leichte Aufgabe, wenn man sich dabei auch noch auf die komplette Muskel- und Gelenkkette konzentrieren muss.
Eine ebenfalls sehr interessante (und für das Gleichgewicht lohnende) Übung ist es, das Heben und Senken des Chi zu üben (103).
Eine sehr zentrale Übung ist dann noch das Kreisen der Arme, welches man natürlich unbedingt auch mit Trainingspartner trainieren sollte. Dennoch lohnt es sich, dies regelmäßig alleine zu trainieren (104). Dabei geht es darum, mit den Händen einen horizontalen, vertikalen oder sagittalen Kreis zu ziehen und dabei je nach Position in eine drückende oder ziehende Bewegung überzugehen. Somit übt man das Drücken und Ziehen jetzt sehr dynamisch und in einem ständigen Wechsel.
Wenn man dies nach einer Weile schon recht gut beherrscht, kann man das Ganze wieder gegengleich machen (105), das heißt, eine Hand schließt den Kreis, während die andere ihn gleichzeitig öffnet. Somit trainiert man Drücken und Ziehen wieder gegengleich und zusätzlich noch ineinander übergehend.
Schlussendlich kann man natürlich auch die Meditation in das eigene Training integrieren (106). Einen sehr nützlichen Effekt in Sachen Kampfkunst kann hier die Achtsamkeitsmeditation bieten.
9. Theoretische Grundlagen:
Was du ebenfalls zu Hause machen kannst, ist dich mit den theoretischen Grundlagen des Wing Chun zu beschäftigen.
Unter anderem könntest du Bücher zum Thema lesen (107). Ein Beispiel ist das Buch Wing Tsun Kuen von Leung Ting.
Und natürlich findest du auch hier im Blog viele interessante Artikel zum Thema Wing Chun (108). Hier eine erste Auswahl:
- Wing Chun – allgemeine Fakten
- Eine umfassende Übersicht zu den Wing Chun Begriffen
- Hat das Training von Formen überhaupt einen Sinn?
- Die Siu Nim Tao
- Die Cham Kiu
- Die Biu Tze / Biu Djie
- Die Holzpuppe / Muk Yan Chong
- Chi Sao im Wing Chun
- Lat Sao im Wing Chun
- Warum gibt es nur zwei Waffen im Wing Chun?
Weitere Details zu theoretischen Grundlagen wie z.B. die vier Kampfprinzipien und Kraftsätze im Wing Chun kannst du wiederum in unserem Mitgliederbereich nachlesen. (109)
Schlussendlich kann ich dir auch unseren Youtubekanal ans Herz legen, wo wir regelmäßig theoretische und natürlich auch praktische Dinge zum Thema Wing Chun erklären bzw. vorzeigen. (110)
Ganz besonders möchte ich dir auch unsere Videoserie „Fix it Monday“ ans Herz legen, wo wir regelmäßig typische Fehler bzw. Trainingstipps zum Wing Chun (und auch teilweise zum Eskrima bzw. Panantukan) veröffentlichen. (111)
10. Beschäftigung mit Eskrima:
Wing Chun hat für das Training zuhause viel zu bieten. Dennoch: Falls du dich immer noch unterfordert fühlst, dann kannst du doch parallel dazu Eskrima lernen. Denn Wing Chun und Eskrima ergänzen sich sehr gut. (Wenn du nicht genau weißt, was Eskrima ist, dann lies das am besten hier mal nach.)
Wir haben dazu übrigens einen gratis Einführungskurs in Sachen Stockkampf für dich: Eskrima für Anfänger – Grundlagen Stockkampf Damit könntest du zum Beispiel mal beginnen. (112)
… … …
PS:
Fallen dir noch weitere Tipps ein in Sachen Wing Chun Training für zu Hause? Falls ja, dann lass es uns doch in den Kommentaren wissen!
Viel Spaß jedenfalls bei deinem Training zu Hause 😉
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