Der Verfolgungsschritt im Wing Chun wird vor allem dann eingesetzt, wenn man schon sehr nahe am Gegner steht und selbst angreift – zum Beispiel mittels Kettenfauststößen.
Mithilfe dieses Schrittes (plus dem Einsatz von Fauststößen) kann man aggressiv vorgehen und dadurch den Gegner massiv in Bedrängnis bringen.
Der besondere Vorteil dabei ist, dass man in kurzer Distanz dabei auch noch bestmöglich geschützt ist vor Angriffen des Gegners.
Was genau ist der Verfolgungsschritt?
Der Verfolgungsschritt ist wie gesagt eine Schritttechnik aus dem Wing Chun und beginnt aus dem Basis-Kampfstand heraus.
Bei diesem Basis-Kampfstand hat der Übende sein gesamtes Körpergewicht auf dem hinteren Bein, wobei die Füße ca. auf einer Linie stehen (in Wahrheit ist der vordere Fuß etwas versetzt, damit man einen stabileren Stand hat).
Die Überlegung dahinter ist vor allem die, dass man dadurch weniger anfällig ist durch Fußfeger aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden (wenn das ganze Körpergewicht auf dem hinteren Bein ist macht es wenig, wenn der vordere Fuß gefegt wird). Zudem kann man aus dieser Position auch schnell mit dem vorderen Bein zutreten, da man für den Tritt nicht extra noch eine Gewichtsverlagerung braucht – das Gewicht ist ja schon zur Gänze hinten.
Der Verfolgungsschritt beginnt aus dem Kampfstand dergestalt, dass der vordere Fuß vom Boden angehoben und weiter vorne abgesetzt wird. Dabei setzt in der Regel die Ferse zuerst auf (manche Wing-Chun-Praktizierende sind der Ansicht, dass zuerst der Fußballen aufsetzen sollte – eine Meinung, die ich aber nicht teile).
Sobald nun der Fußballen abgesenkt wird, wird der hintere Fuß mittels so genannter Kniespannung nachgezogen.
Dabei ist nun zu beachten, das der hintere Fuß genauso weit nachgezogen wird als der vordere Fuß zuvor abgesetzt wurde. Das heißt im Klartext, dass man im selben Kampfstand steht wie zuvor – die Entfernung zwischen den Füßen also exakt dieselbe ist wie zu Beginn.
(Anschaulicher lässt sich das aber sicherlich durch ein Video demonstrieren: Der Wing Chun Verfolgungsschritt mit Kettenfauststößen)
Verfolgungs-Schritt heißt er übrigens deshalb, weil man genau das macht: Man verfolgt den Gegner, wenn sich dieser zurückzieht bzw. wenn er zur Seite ausweichen möchte.
Lässt man nämlich ein solches Zurückziehen bzw. Ausweichen zu, dann riskiert man, die Distanz zu vergrößern und dadurch von einem Tritt getroffen zu werden. „Klebt“ man allerdings durch den Einsatz der Verfolgungsschritte förmlich am Gegner, dann hat dieser erst gar nicht die Möglichkeit uns zu treten.
Zudem entspricht diese Vorgangsweise auch prima den Prinzipien im Wing Chun. Eines dieser Prinzipien heißt ja: „Zieht sich der Gegner zurück, dann folge“. Und genau das macht man durch den Einsatz des Verfolgungsschrittes.
Notwendiges Hintergrundwissen
Bevor du dich allerdings mit dem Verfolgungsschritt aus dem Wing Chun beschäftigst, solltest du zwei Dinge korrekt beherrschen, und zwar den IRAS und den Basis-Kampfstand. Wenn diese Grundlagen nicht passen, dann wird auch der Verfolgungsschritt nicht gut sein.
Doch zu diesen zwei Dingen habe ich bereits umfangreiche Infos hier im Blog bereitgestellt:
Was der IRAS ist, wozu er da ist und wie du ihn üben kannst erfährst du hier. Und es gibt auch ein Video dazu.
Dasselbe gilt auch für den Basis-Kampfstand im Wing Chun. Umfangreiche Infos dazu bekommst du hier. Und es gibt auch dazu eine Videoanleitung.
Wenn du diese Grundlagen aber schon beherrscht, kannst du schon jetzt loslegen mit dem Training des Verfolgungsschritts 🙂
Die Ausführung des Verfolgungsschrittes
(1) Nimm zuerst korrekt den Vorkampfstand – auch IRAS genannt – ein.
(2) Nun dreh dich 90° in den Kampfstand mit dem kompletten Körpergewicht hinten. Achte darauf, dass du auch wirklich die Hüfte mitdrehst und dich komplett hinten reinsetzt – mit geradem Rücken, Blick nach vor gerichtet und 100% deines Körpergewichts auf dem hinteren Bein. Achte auch darauf, dass das Knie des vorderen Beines nie komplett durchgestreckt ist – es sollte immer leicht gebeugt sein.
(3) Jetzt heb deinen vorderen Fuß an und setz ihn etwas weiter vorne ab. Zuerst setzt dabei die Ferse am Boden auf.
(4) Sobald du deinen Fußballen senkst, solltest du deinen hinteren Fuß mittels Kniespannung nachziehen (wie das genau mit der Kniespannung funktioniert, habe ich in den Lehrvideos zum IRAS bzw. zum Kampfstand erklärt – siehe oben). Achte dabei unbedingt darauf, dass zum Schluss auch wieder der Abstand zwischen deinen Füßen stimmt.
(5) Wiederhole das nun ein paar Mal in dieselbe Richtung, indem du immer wieder das vordere Bein anhebst, vorne absetzt und das hintere Bein nachziehst.
(6) Nun dreh dich wieder in den IRAS zurück und geh erneut in den Kampfstand – diesmal allerdings in die andere Richtung.
(7) Führe nun den Verfolgungsschritt auch in die andere Richtung aus.
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Wenn ja, dann habe ich etwas für dich:
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Weitere Trainingstipps zum Verfolgungsschritt
(1) Es ist gar nicht so leicht den Verfolgungsschritt korrekt auszuführen. Deshalb nimm dir ruhig die nötige Zeit und trainier ihn ein paar hundert mal isoliert – und zwar so, wie ich es grade beschrieben habe.
(2) Sobald du dir allerdings sicher bist, dass du ihn korrekt ausführst, kannst du beginnen, ihn mit Fauststößen zu kombinieren. Fang dabei mal mit zwei Fauststößen je Verfolgungsschritt an.
(2.1) Achte darauf, dass dich der erste Fauststoß in den Schritt hineinzieht – dass dieser Fauststoß also einen Augenblick früher beginnt als das Anheben des vorderen Fußes.
(2.2) Du gehst dabei wie gesagt zuerst mit dem vorderen Fuß nach vor, aber die hintere Faust beginnt zuerst. Für Details zu den Fauststößen schau dir am besten mal mein Video zum Thema Kettenfauststöße an.
(2.3) Der zweite Fauststoß wird sodann mit dem Nachziehen des anderen Fußes koordiniert. Für eine maximale Kraftübertragung ist es wichtig, dass der Fauststoß fast zeitgleich mit dem Nachziehen des hinteren Fußes auftrifft. Somit stellst du sicher, dass du deinen ganzen Körper hinter den Schlag bringst.
(3) Nun kannst du den Schwierigkeitsgrad noch weiter erhöhen, indem du gleich drei Kettenfauststöße machst, während du einen Verfolgungsschritt ausführst (Das ist anfangs wirklich schwer zu koordinieren und benötigt einiges an Training bis man den Dreh raus hat).
(3.1) Auch jetzt startet zuerst die hintere Faust kurz bevor du mit dem vorderen Fuß nach vor steigst.
(3.2) Der Unterschied ist nun der, dass auch zwischen dem Bewegen des vorderen und des hinteren Beins ein Fauststoß erfolgt.
(3.3) Der dritte Fauststoß erfolgt wieder in Koordination mit dem Nachziehen des hinteren Beines.
(4) Den Verfolgungsschritt kannst du aber nicht nur gerade in eine Richtung üben. Denn es ist auch nicht gesagt, dass sich dein Gegner nicht bewegt, wenn du ihn angreifst bzw., dass er dann nur nach hinten ausweicht. Was ist aber, wenn er zur Seite ausweicht?
Die gute Nachricht ist: Der Verfolgungsschritt lässt sich auch einsetzen, wenn der andere versucht, zur Seite auszuweichen. Und genau das kannst du als nächstes trainieren (Ein Video dazu folgt übrigens nächste Woche).
(4.1) Starte dabei am besten in neutraler Fußposition bzw. aus dem IRAS. Wenn du nach links gehst, startet zuerst dein linkes Bein. Gehst du nach rechts, startet demgemäß zuerst dein rechtes Bein. Das hintere Bein wird wie immer mittels Kniespannung nachgezogen. Für Übungszwecke gehe etwa in einem 45° Winkel nach links bzw. rechts.
(4.2) Nun folgt ein Auslagenwechsel: Bist du vorhin 45° nach links vor gegangen, dann gehst du nun mit dem rechten Bein 90° nach rechts. Wiederhole das dann mit dem linken Bein usw..
(5) Nun kannst du den seitlichen Verfolgungsschritt inklusive Auslagenwechsel wieder mit Fauststößen kombinieren. Mache also wieder zwei bzw. drei Fauststöße pro Verfolgungsschritt.
(6) Das Ganze lässt sich auch als Partnerübung durchführen. Zum Beispiel könntet ihr die Schrittarbeit auch gleich mit einem Handpratzentraining kombinieren. Du machst dabei deinen Verfolgungsschritt (egal ob gerade oder schräg nach vor) und kombinierst das ganze auch noch mit Kettenfauststößen. Dein Trainingspartner macht natürlich jedes Mal einen kleinen Schritt zurück.
(7) Wieder etwas anders fühlt es sich an, wenn ihr dasselbe nicht mit Handpratzen, sondern mit einem Schlagpolster trainiert. Achte wie immer auch auf die Koordination zwischen deiner Schrittarbeit und den Fauststößen. (Das ist gleich um ein Vielfaches schwerer, wenn man gegen einen Schlagpolster schlägt statt in die Luft – also verlier nicht gleich den Mut, wenn´s nicht sofort funktioniert)
(8) Du musst mit dem vorderen Fuß auch nicht unbedingt immer einen Schritt machen. Du kannst auch mal einen geraden Tritt ausführen und dabei wie gehabt den hinteren Fuß mittels Kniespannung nachziehen. Das ganze lässt sich auch wieder prima mit Kettenfauststößen kombinieren.
Trainieren kannst du das entweder frei in die Luft oder gegen einen Schlagpolster. Dein Trainingspartner macht dabei jedes Mal einen großen Schritt zurück, damit du einen Tritt brauchst zur sicheren Distanzüberbrückung – ein Verfolgungsschritt allein also nicht mehr ausreicht.
P.S.
Ich habe auch ein Video veröffentlicht, in dem ich die Ausführung des Verfolgungsschrittes inklusive Kettenfauststößen Schritt für Schritt vorzeige: Der Wing Chun Verfolgungsschritt mit Kettenfauststößen
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