Seien wir mal ehrlich: Die wenigsten, die anfangen eine Kampfkunst zu trainieren, beginnen mit einer Waffenkampfkunst wie Eskrima, Kali oder Kendo. Die meisten suchen sich eine Kampfkunst, die vor allem waffenlose Techniken trainiert bzw. sind überhaupt nur auf der Suche nach Selbstverteidigungstraining.
Nach einiger Zeit allerdings beginnen manche sich für Waffentraining zu interessieren. Und das aus gutem Grund. Waffentraining birgt einen großen Nutzen – und zwar egal welche „waffenlose“* Kampfkunst du betreibst.
Viele Fähigkeiten, die du im Rahmen des Waffentrainings erwirbst, lassen sich nämlich auch auf das waffenlose Kämpfen bzw. auf die Selbstverteidigung übertragen.
*(Die Anführungszeichen habe ich deshalb eingefügt, weil es praktisch keine Kampfkunst gibt, die rein waffenlos ist – nur der Schwerpunkt liegt eben in der Regel auf waffenlosem Training.)
Als Beispiel möchte ich mal die so genannten Filipino Martial Arts wie Eskrima, Kali oder Arnis hernehmen, die im Großen und Ganzen sehr ähnlich sind. Bei allen dreien sind die Hauptwaffen ein Rattanstock von etwa 60 bis 72 cm Länge und ein normales (Trainings-)Messer.
Daneben werden auch noch andere Waffen trainiert wie Bo-Stock, Karambit und Machete – aber diese Dinge trainiert man meist eher als Fortgeschrittener.
Das Besondere an den Filipino Martial Arts ist eben, dass man mit dem Waffentraining beginnt. Erst wenn man mit den unterschiedlichsten Waffen umzugehen gelernt hat, fängt man damit an, die Kenntnisse auf das waffenlose Kämpfen zu übertragen (bekannt auch als Filipino Dirty Boxing bzw. Panantukan).
Damit unterscheiden sich die Filipino Martial Arts auch komplett von den meisten anderen Kampfkünsten. Im Wing Chun Kung Fu beispielsweise beschäftigt man sich die ersten 10 oder gar 20 Jahre praktisch nur mit waffenlosem Training. Erst ganz spät beginnt man mit dem eigentlichen Waffentraining – was bei der besagten Kampfkunst Wing Chun vor allem der Langstock und die Doppelmesser sind.
Und genau aus diesem Grund glaube ich auch, dass es ambitionierten Kampfkünstlern keineswegs schaden würde, wenn sie neben dem normalen Training in ihrer angestammten Kampfkunst wie z.B. eben Wing Chun bzw. Karate oder Krav Maga zusätzlich noch Waffentraining absolvieren würden.
Und dazu eignen sich meiner Meinung nach ganz besonders die Filipino Martial Arts wie Eskrima (nur so nebenbei: wir haben hier im Blog einen Mitgliederbereich, wo du Eskrima online lernen kannst 😉 )
Doch du fragst dich jetzt zurecht, wieso ich ambitionierten Kampfkünstlern dazu rate, sich nebenbei auch etwas mit Waffentraining zu beschäftigen. Nachfolgend daher ein paar Gründe am Beispiel des Eskrima …
Wozu Waffentraining?
Waffentraining schult eine Menge Fähigkeiten, die du auch für die waffenlose Selbstverteidigung nutzen kannst:
#1 Schulung der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
Wenn im Training eine Waffe wie zum Beispiel ein Rattanstock im Spiel ist, dann steigt die Aufmerksamkeit der Trainierenden rapide an.
Und das ist gut so. Man lernt, voll bei der Sache zu sein und das überträgt sich mit der Zeit auch auf das übrige Training. Irgendwann ist man auch beim waffenlosen Training viel aufmerksamer bei der Sache und der Trainingseffekt steigt deutlich an.
Da unsere Zeit in der Regel begrenzt ist und wir aufgrund beruflicher und privater Verpflichtungen nicht jeden Tag stundenlang trainieren können, ist es umso wichtiger, wenn wir im Training voll bei der Sache sind. Nur so holen wir das Maximum aus unseren Trainingseinheiten.
#2 Aufbau optischer Reflexe
Es gibt zwei Arten von Reflexen – taktile und optische. Je nach Kampfkunst bzw. Kampfsport wird dabei der Schwerpunkt unterschiedlich gelegt. Im Wing Chun beispielsweise legt man vor allem Wert auf taktile Reflexe, da diese weniger anfällig für Finten und außerdem viel schneller sind. In einer Kampfsportart wie dem Kickboxen wiederum kommt es nur auf optische Reflexe an.
Doch egal welche Kampfkunst bzw. Kampfsport du auch betreibst – es kann nie schaden, seine optischen Reflexe immer weiter zu verbessern. Denn auch in Kampfkünsten wie Wing Chun, wo man den Fokus auf taktile Reflexe legt, ist es erstmal wichtig, überhaupt Kontakt mit den gegnerischen Armen aufbauen zu können. Und dazu sind eben optische Reflexe erforderlich.
Der Grund warum man gerade mit dem Waffentraining besonders gut seine optischen Reflexe schulen kann, ist der, dass im Waffenkampf alles sehr schnell geht und eine bloße Berührung durch die Waffe (vor allem bei scharfen Waffen wie Messer oder Schwert) schon kampfentscheidend sein kann. Man darf sich keine Fehler erlauben und muss daher wirklich sehr gut optisch reagieren können.
#3 Aufbau von Schlagkraft
Waffentraining verbessert aber auch deine Schlagkraft enorm. Als ich mit meinem Eskrima-Training anfing, hat sich dadurch auch mein Fauststoß verbessert – obwohl ich ihn in dieser Zeit gar nicht spezifisch trainiert hatte.
Der Grund ist der, dass man bei der Führung einer Waffe lernt, seinen ganzen Körper mit einzusetzen und eben nicht immer nur aus dem Handgelenk bzw. dem Arm allein zuzuschlagen.
Ja und Stichwort Handgelenk: Auch das ist sicherlich ein Grund, warum sich durch Waffentraining der Fauststoß verbessert. Denn wie heißt es so schön: Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Und im Falle des Fauststoßes ist das schwächste Glied bei vielen von uns das Handgelenk.
Allein dadurch, dass du beim Training ständig eine Waffe in Händen hältst, die ja auch ein bestimmtes Gewicht hat, stärkst du bereits dein Handgelenk. Und beim Training bestimmter Techniken, wo du vor allem aus dem Handgelenk schlägst – wie zum Beispiel so genannte Abanikos im Eskrima – flexibilisierst du auch eben dieses Gelenk enorm.
Früher hatte ich oft tagelang Probleme mit meinem Handgelenk, nachdem wir im Unterricht Fauststöße trainiert hatten. Seit ich allerdings Eskrima trainiere, habe ich dieses Problem nicht mehr.
#4 Aufbau von Distanzgefühl und Timing
Distanzgefühl und Timing sind ganz wichtige Dinge – und zwar unabhängig von der Kampfkunst, die du trainierst. Das ist immer wichtig.
Doch wenn du ständig nur waffenlos trainierst, dann baust du dein Distanzgefühl und Timing auch nur für das waffenlose Kämpfen auf. Wenn beide Trainingspartner keine Waffe in Händen halten, dann ist die Distanz nämlich geringer als wenn sie eine in Händen halten würden.
Eine Waffe ist sozusagen die Verlängerung des Körpers. Wenn dein Gegner eine Waffe einsetzt, dann muss er nicht so nahe an dich ran wie sonst um dir bereits gefährlich werden zu können.
Wenn du dich aber erfolgreich gegen eine Waffe verteidigen willst, dann brauchst du als erstes ein perfektes Distanzgefühl um überhaupt eine Chance zu haben. Und das baust du vor allem dann auf, wenn du Waffentraining praktizierst. Du lernst dadurch nämlich nicht nur mit der Waffe umzugehen, sondern indirekt auch, dich dagegen zu verteidigen.
#5 Weitere Vorteile von Waffentraining …
Die Liste an Vorteilen ist enorm, wenn es um Waffentraining geht. Hier nur kurz ein paar Fähigkeiten, die du noch aufbauen kannst, wenn du hin und wieder auch mit Waffen wie Stock und Messer trainierst:
- Viele Techniken lassen sich auch waffenlos umsetzen. Du lernst also nicht nur das Kämpfen mit der Waffe an sich, sondern auch die Umsetzung davon im Faustkampf (Stichwort Filipino Boxing, Suntukan bzw. Panantukan).
- Du baust Sicherheit und Selbstvertrauen auf: Wenn du dich im Waffentraining wohl fühlst, dann ist das waffenlose Kämpfen noch einmal leichter für dich. Du baust dadurch auch zielsicher Schlaghemmungen ab, die ja viele Anfänger haben.
- Waffentraining hat auch einen positiven Einfluss auf viele weitere Fähigkeiten, wie zum Beispiel Kampfgeist, Beweglichkeit und Koordination der Bewegungen …
P.S.
Wenn du dich für Waffentraining interessierst, dann schau hier mal vorbei. Vielleicht ist das ja genau das Richtige für dich 🙂
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