In der Selbstverteidigung geht es nicht bloß um die Anwendung von ein paar Tricks, die man irgendwann mal gezeigt bekommen hat.
Die Wahrheit ist, dass es auch nicht ausreicht, ein 3-Stunden Selbstverteidigungsseminar zu besuchen. Ja und selbst ein 10-wöchiger Selbstverteidigungskurs bringt nicht viel, wenn er schon Jahre zurückliegt.
Um effektiv auf die wichtigsten Bedrohungssituationen vorbereitet zu sein, bedarf es mehr …
Genauer gesagt brauchst du 3 wichtige Fähigkeiten um dich effektiv verteidigen zu können:
1. Physische Fähigkeiten
Okay, das war wohl nicht schwer zu erraten: Du brauchst gewisse körperliche Fähigkeiten, um dich effektiv verteidigen zu können
Doch dabei sollte es nicht ausschließlich um das Trainieren von ein paar Selbstverteidigungskniffen gehen. Viel wichtiger ist die Entwicklung allgemeiner physischer Fähigkeiten.
Und auch der Umgang mit Hilfsmitteln sollte meiner Meinung nach zumindest mal angesprochen (und besser noch: trainiert) werden.
1.1. Allgemeine physische Fähigkeiten:
Schlagkraft: Die Schlagkraft habe ich ganz bewusst an die erste Stelle gesetzt. Du wirst erst dann mit Fug und Recht behaupten können, dass du dich effektiv zur Wehr setzen kannst, wenn du imstande bist, jemanden umzuhauen.
Durch Abwehren allein gewinnst du nämlich keinen ernsthaften Kampf. Irgendwann musst du auch selbst angreifen.
Und hoffentlich merkt dein Gegner auch, dass du ihn gerade angegriffen hast 😛
Gleichgewicht: Das ist ebenfalls ganz zentral. Ohne gutes Gleichgewicht wirst du dich weder gut verteidigen noch effektiv angreifen können.
Gerade Anfänger beobachte ich immer wieder beim Training, wie sie einen Fauststoß gegen den Schlagpolster ausführen und sich dabei selbst wegdrücken. Das Problem dabei ist, dass dadurch so gut wie keine Kraftübertragung stattfindet und die Wirkung vollends verpufft.
Wieder andere machen den Fehler, dass sie sich zu weit nach vorne lehnen beim Schlagen. Oft genügt dann bereits ein Ausweichen zur Seite, damit sie nach vorne umfallen.
Optisches und taktiles Reagieren: In einem Kampf geht alles sehr schnell. Da ist es gut, wenn man im Training gute Reflexe aufgebaut hat, um blitzschnell reagieren zu können.
Neben optischen Reflexen spielen auch taktile Reflexe eine zentrale Rolle. Dabei geht es um das Erspüren von Druckrichtungen des Gegners, wenn man mit seinen Armen bereits Kontakt aufgenommen hat.
Viele sind der Ansicht, dass taktiles Reagieren dem Optischen weit überlegen ist, da es schneller ist und weniger anfällig für Finten und Täuschungsmanöver.
Ich glaube, dass beides gleich wichtig ist und man daher auch beides fleißig trainieren sollte.
Grundbeweglichkeit: Um gegnerischen Angriffen ausweichen zu können, ist natürlich ein gewisses Maß an Beweglichkeit notwendig.
Dabei geht es in der Selbstverteidigung aber nicht darum, einen Spagat schaffen zu müssen.
Im Gegenteil: Die Beweglichkeit der Extremitäten steht hier auch gar nicht im Vordergrund. Vielmehr ist Rumpfbeweglichkeit gefragt.
Distanzgefühl und Timing: Das ist so etwas wie die Königsdisziplin im Kampf und in der Selbstverteidigung.
Wenn das Timing passt, kann man sogar langsamer sein als der Gegner und trotzdem früher einen Treffer landen. Dazu ist aber leider viel Training nötig.
1.2. Spezielle physische Fähigkeiten:
Selbstverteidigungstechniken: Et voillá.. Jetzt sind wir an dem Punkt angekommen, den die meisten mit effektiver Selbstverteidigung verbinden: Das Training von Techniken und Kniffen um sich auch gegen deutlich Stärkere Zeitgenossen zur Wehr setzen zu können.
Auch wenn dies natürlich zu einem guten Selbstverteidigungstraining dazugehört, so ist es noch lange nicht das Wichtigste – weshalb ich es auch nicht an erster Stelle angeführt habe.
Umgang mit Hilfsmitteln: Ich bin ein großer Fan des Trainings mit Hilfsmitteln wenn es um Selbstverteidigung geht.
Besonders hervorstreichen möchte ich hier den Kubotan, der wirklich eine hervorragende Waffe ist in geübten Händen. Dabei handelt es sich um einen kurzen Stab, der etwas länger ist als eine Handbreite und prima als Schlagverstärker genutzt werden kann.
Ach ja übrigens: Physische Fähigkeiten sind nicht erst dann relevant, wenn du dich bereits in einer körperlichen Auseinandersetzung befindest. Diese Fähigkeiten sorgen mit der Zeit auch für ein selbstbewussteres Auftreten.
Wenn du weißt, was in einer brenzligen Situation zu tun ist, weil du es oft genug trainiert hast, dann trittst du anderen gegenüber auch ganz anders auf. Das wiederum führt dazu, dass du von gewissen Schlägertypen nicht mehr als Opfer gesehen wirst, sondern als ernstzunehmender Gegner. Meist genügt das schon, dass sie dich in Ruhe lassen.
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Du willst Selbstverteidigung lernen, die wirklich funktioniert?
Wenn ja, dann schau hier mal vorbei:
Selbstverteidigung lernen – Schritt für Schritt
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2. Mentale Fähigkeiten
Physische Fähigkeiten sind natürlich enorm wichtig. Aber dennoch: Wenn sich zwei Personen gegenüberstehen und der eine hervorragende kämpferische Fähigkeiten besitzt, sich aber vor lauter Angst in die Hose macht, dann würde ich nicht auf ihn wetten. Schon gar nicht, wenn ihm ein unerschrockener Schläger gegenübersteht – auch wenn letzterer null Kampftraining in einem Dojo oder einer Kampfkunstschule absolviert hat.
Einstellung besiegt Technik – davon bin ich felsenfest überzeugt. (Beides zu besitzen ist natürlich noch besser)
2.1. Achtsamkeit / Aufmerksamkeit
Achtsamkeit und Aufmerksamkeit im Alltag sind sehr wichtig um einer Gefahrensituation aus dem Weg zu gehen bzw. einen Kampf von vornherein vermeiden zu können.
Achtsamkeit lässt dich sofort erkennen, in welchen Situationen Gefahr droht bzw. lässt dich gleich im Ansatz erkennen, von welchen Personen womöglich eine Gefahr ausgeht.
Wenn du aber gedankenversunken umherschlenderst, wird dir nie auffallen, dass dich der Typ da drüben schon eine Weile mit grimmiger Miene ansieht.
Und du wirst es auch erst bemerken, wenn es längst zu spät ist, dass dich der Typ schon eine Weile im Parkhaus verfolgt.
Die traurige Wahrheit: So etwas kann man leider nur ganz schwer im Selbstverteidigungsunterricht trainieren. Da bist du vielmehr selbst gefragt. Geh mit offenen Augen und Ohren durchs Leben. Man kann das auch trainieren und besser darin werden.
Und das Schöne daran: Achtsamkeit bringt dir nicht nur etwas in punkto effektive Selbstverteidigung. Es verbessert deinen Alltag generell.
2.2. Kampfgeist & Gelassenheit
Der Kampfgeist ist die letzte große Unbekannte in einem Kampf. Er entscheidet oft genug darüber, ob man die Oberhand behält oder zusammengeschlagen wird.
Wie man Kampfgeist und Gelassenheit trainieren soll, darüber scheiden sich die Geister:
- Die westliche Herangehensweise betont stressinduziertes Training. Dabei treibt man den Puls deutlich in die Höhe und wird nun von anderen nacheinander oder auch gleichzeitig angegriffen. Manchmal kombiniert man das auch gleich mit Messerangriffen und dergleichen, die man abwehren muss. Dabei wird auch bewusst in Kauf genommen, dass man getroffen wird. Ziel ist es, nicht aufzugeben und immer weiter zu machen.
- Die fernöstliche Herangehensweise geht ins Gegenteil. Hier betont man eher die Gelassenheit und das Loslassen. Im Mittelpunkt stehen meditative Techniken und Formentraining um die nötige Ruhe zu bekommen.
- Die dritte Herangehensweise wäre dann noch, etwas für sein Selbstvertrauen zu tun. Aber lies am besten hier mal nach.
Ich kann beiden Herangehensweisen etwas abgewinnen. Warum sollte man sie also nicht auch beide trainieren?
3. Strategische und taktische Fähigkeiten
Mit physischen und mentalen Fähigkeiten ausgestattet kann man sich schon ganz gut gegen fast jede Bedrohung behaupten. Doch strategische und taktische Fähigkeiten sind so etwas wie das i-Tüpfelchen was effektive Selbstverteidigung betrifft.
3.1. Deeskalation
Deeskalation ist vor allem in einer Ritualkampfsituation gefragt (darauf bin ich hier bereits kurz eingegangen).
Es geht dabei darum, einen wütenden und tobenden Menschen zu beschwichtigen, um so einen möglicherweise bevorstehenden Kampf zu vermeiden.
Deeskalation hat aber auch noch einen zweiten großen Vorteil: Dadurch signalisierst du Umstehenden, dass du keine kämpferischen Absichten hast. Im Gegenteil: Dadurch sehen sie, dass du dein Gegenüber sogar beschwichtigen wolltest. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil vor Gericht…
3.2. Vermeidung im Vorfeld
Dabei geht es vor allem um den gesunden Menschenverstand. Manche Plätze und Situationen solltest du vor allem in der Nacht und alleine einfach vermeiden.
Wenn du dich von vornherein gewissen Gefahren erst gar nicht aussetzt, kommst du auch nicht in die Verlegenheit, dich zur Wehr setzen zu müssen.
Und du kennst doch sicher den Spruch: Ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf.
3.3. Analyse / Nutzung der Umgebung zum eigenen Vorteil
Auch das ist ein Aspekt effektiver Selbstverteidigung (auch wenn er womöglich in deinen Augen teilweise über´s Ziel hinausschießt):
Wie verhältst du dich in der U-Bahn? Wo nimmst du Platz? Gibt es Fluchtwege?
Sollte ich die Straßenseite wechseln, wenn ich ein paar zwielichtige Typen vor mir erblicke?
Wo halte ich mich bei großen Menschenansammlungen auf? In der Mitte? Nahe den Ausgängen?
Das sollen jetzt nur ein paar wenige Beispiele sein – die Liste könnte man wohl endlos fortsetzen. In einem späteren Beitrag werde ich noch genauer auf diese Thematik eingehen.
P.S.
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